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Was ist Urbanismus?

Bei Urbanauth schreiben wir über Urbanismus im Zusammenhang mit urbaner Infrastruktur: Stadtentwicklung, Architektur, Öffentliche Verkehrsmittel und Mobilität. Außerdem legen wir einen Fokus auf ökologische Themen, wie Luft- und Umweltverschmutzung in städtischen Kontexten.

Auch wenn „Urbanismus“ kein feststehender Begriff ist, so steht dieser in Verbindung zur Urbanistik oder Stadtforschung und ist ein interdisziplinäres Forschungsfeld, das sich der Untersuchung und Beschreibung von Städten unter sozialen, geografischen, historischen, ökologischen und städtebaulichen Gesichtspunkten widmet. Ebenso stehen politische, wirtschaftliche, private und kulturelle Strukturen im Zusammenhang zur Stadtgesellschaft. Damit vereint der Urbanismus Aspekte der Geistes-, Natur- und Ingenieurswissenschaften sowie der Sozialwissenschaften.

Urbane Lebensräume: Der Beginn vom Urbanismus

Historisch weist der Begriff Urbanismus dabei eine Doppelgleisigkeit auf. Zum einen findet er sich in der Stadtplanung, mit einem Ursprung unter dem Baron Hausmann in Paris, sowie Camillo Sitte in Wien während der Mitte des 19. Jahrhunderts. Zum anderen prägen zum Beginn des 20. Jahrhunderts die Beobachtungen und Feststellungen bezüglich Urbanität des deutschen Stadtsoziologen Georg Simmel den Stadtdiskurs. Dieser wird maßgeblich die Chicagoer Schule unter Robert Park mitprägen. Als begriffliche Wortunterscheidung benutzen wir den Begriff Urbanität für die zweite Variante des Urbanismus, welcher sich mit der Existenz des Individuums in der Stadt-Mensch Beziehung befasst. Diese untersuchen wir unter den Themen „urbane Kultur“ sowie „die politische Stadt„. Die Wurzeln des Urbanismus, lassen sich dabei in Frankreich und Großbritannien bis in das 17. Jahrhundert zurückverfolgen. Ausschlaggebend war aber die einsetzende Urbanisierung mit dem Beginn der Industrialisierung.

Auch wenn es im Mittelalter bereits eine Form der Organisierung von Städten gab, so ist doch das 19. Jahrhundert entscheidend für die räumliche Kernstruktur großer Metropolen wie Paris, Wien, London und New York. Das industrielle Zeitalter führte zu einer Umwälzung der Stadtgesellschaft. Arbeitskräfte, die in den Fabriken benötigt wurden, verließen ihre Dörfer. Diese Landflucht führte zu einem starken Wachstum der Städte. Zwischen 1830 und 1900 verdoppelte die britische Hauptstadt London ihre Bevölkerung auf vier Millionen Einwohner. Ein ähnliches Wachstum ereilten die jungen Metropolen Berlin und Paris. Dies führte zu einer Verschiebung der Grenzen Stadtgrenzen nach außen. Andere Folgen der eintretenden Urbanisierung waren zudem Arbeiterslums, Zersiedelung, Pandemien und Umweltverschmutzung. Um diesen Herausforderungen entgegenzutreten, bedurfte es ein Umdenken in der Planung von Städten.

Ein Urbanismus mit französischen Wurzeln

In Westeuropa unternahm der Baron Georges-Eugiène Haussmann (1809-1891) das ambitionierte Infrastrukturprojekt Paris zu restrukturieren. Ihm sind die ikonischen Straßenzüge und Boulevards der französischen Hauptstadt zu verdanken. Außerdem stellt er die Wendezeit zwischen dem Mittelalter der Renaissance und dem sich entwickelnden Zeitalter der Industrie. Der zwischen 1853 und 1870 als Präfekt der Stadt regierende Baron unternahm dabei die Herkulesarbeit, Paris zu einer einheitlichen Metropole zu formen. Er setzte dabei den Grundstein für die Stadtplanung “à la France”. Zwischen 1852 und 1868 wurden dabei bis zu 18.000 Gebäude zerstört. 60 Prozent der Stadtfläche wurde umgestaltet.

Die Schwerpunkte zur Zeit von Hausmann lagen dabei auf Sicherheit, Verkehr und Hygiene. Zum einen verschwanden die engen Straßen und machten Platz für Transportachsen. Damit sollten Aufstände und Unruhen innerhalb des Stadtgebietes erschwert werden. Zum anderen sollte dieser Eingriff die hygienischen Lebensbedingungen in Paris verbessern und durch die Erweiterung der Kanalisation und Schaffung von Grünflächen die Ausbreitung von Krankheiten verhindert werden. Die grünen Lungen, welche das Bois de Boulogne und der Parc de Vincennes sind, wurden zu dieser Zeit in den Stadtraum integriert.

Als räumliche Unterscheidung dient die Unterteilung von rechts und links der Seine, dem Fluss der Paris durchfließt. Die Straßenzüge und Boulevards wurden zu einer netzartigen Struktur umgeordnet. Diese fungieren seitdem als Verbindungspunkte zwischen den wichtigen Orten wie öffentlichen Plätzen, Parks und Monumenten. Die breiten Boulevards ermöglichten dabei auch den unterirdischen Bau der Katakomben und Kanalisation. Später vereinfachten sie den Bau der Metrotunnel.

1873 trat die Ernüchterung mit einer Immobilienblase ein. Die gestiegenen Wohnkosten führten zum Fortzug der Arbeiter aus dem Zentrum. Und auch der niedergeschlagene Aufstand der Pariser Kommune von 1871, hatte seine Wunden hinterlassen. Dieses Ereignis kann dabei als der gescheiterte Versuch der Rückaneignung der Stadt durch das Proletariat verstanden werden. Dieser geschieht dabei in Reaktion auf eine sich verändernde Umgebung, aber auch sozialen Ungerechtigkeiten. So war die Teilnahme der Frauen im politischen Diskurs, Bünden und bis auf die Barrikaden, eine radikale Errungenschaft dieser Zeit. Revolutionärinnen wie die Lehrerin Louise Blanc und andere Mitstreiterinnen, legten dabei wichtige Grundsätze für die Frauenrechte und ihrer Emanzipation von der industriell -patriarchen Gesellschaft. In Folge der Blutwoche „la semaine sanglante“ wurde die Stadt zurückerobert.

Haussmanns Plan, die Stadt nach innen sicherer zu machen, ist gescheitert. Dennoch leistet er einen wichtigen Beitrag zur Modernisierung der Metropole und dessen einsetzende Urbanisierung. Ohne den Baron Haussmann würde Paris nicht so aussehen, wie es dies heute tut!

Divergierende Stadtentwicklungen im deutschen und amerikanischen Kulturraum

Zur selben Zeit wirkte Camillo Sitte (1843-1809) in Österreich.  Dieser übte dabei vor allem einen starken Einfluss im deutschsprachigen Raum aus. Seine 1889 erschienene Schrift “Städtebau nach seinen künstlerischen Grundsätzen” erhebt den Stadtbau zum Kunstwerk. Im Gegensatz zum Baron Haussmann, welcher ohne Skrupel ganze Häuserzüge und Viertel abreißen ließ, um Platz zu schaffen, beruhte Sittes Vorgehensweise auf eine Besinnung zur antiken/mittelalterlichen Stadt. Wesentlich mehr darauf bedacht eine ästhetische Stadt zu schaffen, wurden alte Elemente wie Stadttore und – Mauern in die Stadtentwicklung und dem Stadtbild miteinbezogen. Seine Aufmerksamkeit lag dabei auf dem “städtischen Gewebe“, welches sich für ihn durch die chaotisch angeordneten Straßen, Plätze und Kirchen ergeben. Sein Ziel der Stadtentwicklung war es, das Bestehende in das Neue einzubinden und somit den historischen Kern einer Stadt zu bewahren. Der von Camillo Sitte entwickelte Urbanismus fußt auf den Maximen: Kontinuität, Diversität, Asymmetrie und Irregularität.

Doch auch jenseits der Ozeane und Meere tat sich zu dieser Zeit viel. So wurde in New York, USA ab 1857 der Central Park von Frederick Law Olmsted und Calvert Vaux entworfen. Die Grünflächen als Erholungs- und Erfahrungsort feierten ihre Einkehr. Aber auch Londons Ambitionen, das Verkehrssystem auszubauen und die Mobilität im Stadtraum zu erhöhen, fand seinen Ursprung in diesem Jahrhundert. Und ebenso Tokyo, zum Ende seiner Edo-Zeit befand sich im Umbruch mit dem Einzug erster westlicher Architektur ins Stadtbild.

Die Stadtentwicklung der Stadtplaner in der westlichen Welt entwickelte sich dabei parallel und doch verschieden. Darauf bedacht auf die individuellen, urbanen Herausforderungen der damaligen Gegenwart zu reagieren, wurden bereits damals verschiedene Lösungsansätze erarbeitet. Während diese sich auf die spezifischen Problematiken einer Stadt stützten, gab es dennoch einen regen Austausch über Grenzen hinweg. Einige Urbanisten Nordamerikas hatten in Deutschland studiert. Andere bemühten sich um die Übersetzung von Schriften.

Die Geburt des funktionalistischen Urbanismus und seinen brutalistischen Schöpfungen

Im ersten Viertel des 20. Jahrhundert wurde das Paradigma der Stadtplanung weiterentwickelt. In der Schrift “Il Messagio” forderte der futuristische Architekt Antonio Sant’Elias die Einführung eines Bebauungsplanes. Es galt, die Stadt, als Ganzes zu ordnen. Ähnlichen Gedankengängen widmete sich der französische Architekt Le Corbusier mit seiner bekannten Schrift “Urbanisme”, 1925. Für ihn sollte die Seele der Stadt (“L’âme de la ville”) den Bewohnern einen Mehrwert bringen. Rechte Winkel und Geraden waren für ihn ausschlaggebend. Die Einheit im Detail stand dabei im Gegensatz zum Tumult des Ganzen. Gemeinsam jedoch formen sie, was Le Corbusier als Symphonie bezeichnete.

Mit Le Corbusier fand der funktionalistische Urbanismus seinen Einzug in die europäischen Städte und darüber hinaus auch nach Indien, wie die Realisierungen der „Villa Shodhan“ in Ahmedabad und des „Palace of the Assembly“ in Chandigarh bezeugen. Seine ideale Stadt sollte dabei vom Zentrum mit seinem Geschäftsviertel und den kulturellen und staatlichen Einrichtungen über einen Grüngürtel und Industrieanlage nach außen in die Vorstädte übergehen. Die Flächen der Stadt wurden dabei in Wohnen, Arbeiten, Freizeit, Grünflächen und Verkehr geordnet. Unter der Federführung des Internationalen Kongresses für Moderne Architektur (CIAM) wurde dabei 1933 die Charta von Athen verabschiedet. Die Stadt von Morgen sollte eine funktionale Stadt sein. Mit ihr hielten Beton, Glas und Stahl ihren Einzug in das Stadtbild.

Auch die autogerechte Stadt wurde mit in die Agenda aufgenommen. Die Mobilität der Bewohner sollte dabei durch öffentliche Verkehrsmittel und Schnellstraßen garantiert werden. Niedrige Ölpreise taten ihr weiteres und zeitgleich nahm die Luftverschmutzung durch Automobile zu. In Nordamerika wurden riesige Highways gebaut, welche die Städte durchlaufen. Die Mobilität fördert dabei die Zersiedelung der Stadtlandschaft, dem Urban Sprawl. Dieses urbane Phänomen beschreibt den unkontrollierten Städtebau an der Peripherie von Metropolen. Bekannte Megastädte, welche von Zersiedelung betroffen sind, befinden sich zum Beispiel in Mexiko mit Mexico-City und Lagos, Nigeria.

Zwischen 1919 und 1933 entwickelte sich im Anschluss des Jugendstils in Deutschland das staatliche Bauhaus. Als Kunstschule von Walter Gropius (1883-1969) entworfen, sollte dieses Handwerk und Kunst vereinen. Weltweit gilt sie als die Avantgarde der klassischen Moderne in der Kunst und Architektur. So verkündete Gropius in seinem Manifest schon „Das Endziel aller bildnerischen Tätigkeit ist der Bau!„. Die Fähigkeiten der Kunst sollten mit dem gesellschaftlichen Nutzen in Form von Design verschmelzen und so das Leben der breiten Masse durch clevere Konzepte vereinfachen. Ein bekanntes Bauwerk ist unter anderem das Bauhaus Dessau, welches sich in Dessau-Roßlau im Osten Deutschlands befindet. Außerdem betreute Gropius die Planung des Berliner Stadtviertels Gropius-Stadt mit 18.500 Wohnungen. Seine Absicht war, die „mannigfaltigen Elemente des herkömmlichen Stadtlebens“ mit den damals zeitgenössischen Methoden des Städtebaus zu verbinden. Vom faschistischen Regime Deutschlands geächtet, begab er sich mit seiner Familie nach Nordamerika ins Exil.

Das Aufkommen des „New Urbanism“, ein Ruf nach einem neuen Urbanismus

In den 70ern und 80ern des 20. Jahrhunderts kam es zu einer Abkehr von der funktionalistischen Stadt. Ein neuer Urbanismus („New Urbanism“) sieht das Licht in Nordamerika. Dieser positioniert sich als Gegenbewegung zum funktionalistischen Credo. Fußgängerfreundlichkeit mit der „Stadt der kurzen Wege“ sowie eine Mischung zwischen Wohnen, Freizeit und Arbeiten als Grundstein für lebenswerte Nachbarschaften. Der neue Urbanismus ist mit heutigen Placemaking Initiativen vergleichbar. Anhand eines „taktischen Urbanismus“ der die Bedürfnisse der Bevölkerung miteinbezieht und mit den vorliegenden städtischen Gegebenheiten arbeitet, werden dabei öffentliche Plätze geschaffen und Orte wiederbelebt. Dieser versucht auf den urbanen Raum in seiner gänzlichen Komplexität einzugehen und somit ganzheitliche Lösungsansätze zu schaffen. Im amerikanischen Raum galt es dabei vor allem dem „urban Sprawl“ entgegenzuwirken.

Auswirkungen des menschengemachten Klimawandels auf unsere urbane Lebensräume

Heutzutage gibt es nach wie vor keine einheitlichen Lösungen für die umgebungsbedingten Probleme der Städte. Doch die Suche nach lokalen und universellen Lösungsansätzen geht weiter voran. Jede Metropole entscheidet dabei für sich, wie sie ihr Stadtgebiet entwickelt und auf welche Problematiken sie ihre Aufmerksamkeit richtet. Erste Weiterentwicklungen finden sich in Zweckverbänden wie im Fall der Metropolregion Rhein-Ruhr in Deutschland, aber auch den interkommunalen Verbänden wie im Fall der Bay Area in den USA, dem Grand-Paris und dem Great Apple Londons. Eine wesentliche Problemstellung unserer Zeit ergibt sich dabei aus den vom Klimawandel verursachten Auswirkungen auf die urbane Umgebung.

Vom Anstieg des Meerespiegels sind vor allem Hafenstädte wie Amsterdam, Jakarta und Lagos betroffen, die aufgrund ihrer direkten Meeresnähe zu versinken drohen. Aber auch wiederkehrende Klimaphänomene wie der El-Nino und seine Schwester El-Nina haben starke Auswirkungen auf die Umwelt. Diese führen zu Starkregen, Hurrikans und Überschwemmungen in Nord- und Südamerika, Hitze- und Dürreperioden sowie Waldbränden in Australien und Asien. Natürliche Klima- und Wetterereignisse drohen mit dem Klimawandel stärker auszufallen.

Europäische Städte im Binnenland sind dabei anfällig für Überschwemmungen, wie im Falle des Hochwassers von Paris 2018. Aber auch Metropolen am Rhein und der Ruhr sind betroffen. Die Einbeziehung von Auen, Dämmen und Wasserspeicherbecken in die Stadtplanung helfen dabei, ein solches Klimaphänomen zu regulieren.

Vorreiter ist die japanische Megacity Tokio. Seit 2009 operiert dort das größte Sturm-bezogene Abwasser- und Speichersystem der Welt. Um den immer stärkeren Regenmassen entgegenzuwirken, baute die Stadt ein System an Wasserspeicherbecken. Diese unterirdischen Gewölbe sind dabei in der Lage, enorme Wassermengen abzuspeichern und helfen so, den herbstlichen Taifunen zu widerstehen.

Im Kontrast zum Wasserüberschuss steht dabei der Wasserstress, dem Bevölkerungen im globalen Süden ausgesetzt sind. Stark urbanisierte Ballungsräume wie Mexiko-City und Kapstadt sehen sich in den Sommermonaten immer wieder einer Wasserknappheit ausgesetzt. Um dieser entgegenzukommen, wird die Wassernutzung für den privaten Gebrauch eingeschränkt. Mit Entsalzungsanlagen an den Küsten wird Meerwasser inzwischen zur Trinkwassergewinnung genutzt. Diese Technik wird auch oft in den arabischen Golfstaaten des Nahen Ostens eingesetzt. Aber auch menschengemachte Wasserkrisen wie in Nordamerika kommen zum Beispiel bei veraltender Infrastruktur vor.

Lokale Umweltprobleme und Herausforderungen für Städte

Von den deutschen Braunkohlegebieten zu den nordamerikanischen Gaspipelines und den Klimastreikbewegungen: Die globalen Klimaproteste der Gegenwart schaffen eine wichtige Bewusstseinsebene für die Konsequenzen des Klimawandels.

Vorreiter in einem jungen, zukunftsgerichteten Klimaaktivismus sind dabei die Persönlichkeiten Greta Thunberg (Schweden), Vanessa Nakate (Uganda) und Isra Hirsi (USA).

Die Auswirkungen des Menschen und seiner Handlungen auf die Umwelt haben schwerwiegende Konsequenzen zur Folge. Während die autogerechte Stadt ihre Einwohner im Smog versinken lässt, strahlt radioaktives Material an Aufbewahrungsorten für Jahrtausende. Ohne Natur- und Umweltschutzregulierungen für Industrieunternehmen besteht die Gefahr von langanhaltender Vergiftung der Böden und Gewässer.

Doch auch das Veralten der Infrastruktur und menschliche Fehlentscheidungen, wie im Falle der Flint-Wasserkrise, heben die Bedeutung von Wasser als ein systemkritisches Element hervor. In der Großstadt Flint im Bundesstaat Michigan führten 2015 ein katastrophales Wassermanagement und rostende Wasserleitungen zu erhöhten Blei-Werten im Blut der betroffenen Bewohner. Dies ist vor allem für Kinder gesundheitsschädigend, da dies ihre natürliche Entwicklung beeinflusst. Bei den älteren Betroffenen traten übermäßig oft Krankheiten wie Krebs auf. Außerdem kam es zum Ausbruch der Infektionskrankheit Legionellose, auch bekannt als Legionärskrankheit, welche bei Erkrankten eine schwere Form der Lungenentzündung erzeugen kann. Und auch wenn die politisch Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen wurden, so dauerte es Jahre, die Schäden zu beheben und die gesundheitsverträgliche Wasserversorgung wieder herzustellen.

Währenddessen kennen große Metropolen andere durch die Klimaerwärmung und Asphaltierung und Betonierung der Umgebung auftretende Nebenwirkungen. Räumliche Wärmeunterschiede zwischen Großstädten und stark urbanisierten Räumen treten im Kontrast zu Kleinstädten auf. Städtische Phänomene wie urbane Hitzeinseln lassen nachts die Temperaturen steigen. Sie treten dabei vermehrt während den Sommermonaten in Erscheinung. Aus Stahl und Glas gebauten Gebäude reflektieren die Sonnenstrahlen, während die Asphaltumgebung diese in Form von Wärme speichert. Nachts wird diese dann wieder an die Umgebung abgegeben. Die intelligente Nutzung von Grünflächen und Gewässern helfen durch ihren natürlichen Kühleffekt diesem urbanen Phänomen entgegenzuwirken.

Die nachhaltige Stadt hält ihren Einzug in den stadtplanerischen Urbanismus

Der Klimawandel stellt eine zentrale Herausforderung für die Stadtentwicklung dar. Bei der Gestaltung von klima-resistenten Städten treten somit auch Aspekte wie Ökologie und Nachhaltigkeit in den Vordergrund. Dazu gehört auch die Einschränkung von Luft- und Umweltverschmutzung, um eine positive CO₂-Bilanz zu erreichen und gleichzeitig die Stadt als zukunftsfähigen, lebenswerten Raum zu erhalten. Eine Kernfrage für industrialisierte Staaten dreht sich dabei um den Bau von klima-resilienten und energiesparenden Städten. Dies erfordert jedoch ein höheres Maß an Eigenarbeit und verantwortlichem Denken. So kann dies praktisch angewandt die Instandhaltung von Grünflächen und Naturschutzgebieten betreffen, aber auch die Verringerung von Haushalts- und Industrieabfällen, deren Recycling und Wiederverwertung, kurze Kreisläufe, sowie Nutzung von alternativen, umweltschonenden Energieressourcen. Auch der Bau von Hochhäusern aus Holz wie es bereits der Fall in Großstädten wie Paris, Wien und Frankfurt wird vorangetrieben. Dazu kommen noch die staatlichen Förderungen von energiesparenden Neubauten und von der Sanierung zu Niedrig-Energie-Häusern in Deutschland.

In Europa vollzieht sich zurzeit eine Wende, welche die Ökologie stärker in die Stadtplanung miteinbezieht. Das Pilotprojekt der Écoquartiers in Frankreich folgt dabei einer strikten Charta. Im Sinne der urbanistischen, französischen Vorliebe für die ganzheitliche Planung von Stadtvierteln werden dabei größere Flächen neu-entwickelt. Ein solches Viertel wird dabei vom Beginn der Bauarbeiten bis nach seiner Fertigstellung evaluiert und durchläuft vier Validierungsetappen, bis es das Écoquartier-Siegel erhält.

Ein konkretes Beispiel ist das ökologische Stadtviertel Clichy-Batignolles im Norden von Paris. Das kürzlich vollendete Viertel wurde auf einem ehemaligen Gelände der französischen Bahngesellschaft SNCF erbaut. Die mehrstöckigen Wohngebäude von unterschiedlicher Höhe folgen einer reflektierten Raumanordnung des Ensembles. Begrünten Terrassen stufen die Hochhäuser ab und schaffen Zwischenräume. Im Zentrum befindet sich der Martin-Luther-King Park, welcher durch seine Grünflächen die Umgebung im Sommer kühlt und den Bewohnern einen Erholungs- und Freizeitraum bietet. Über Wasserauffangbecken wird Wasser wieder benutzt, während Solaranlagen auf den Dächern Sonnenkraft in den Energiekreislauf zurückführen. Durch die ungenutzte Brachfläche wurde ein wichtiger Stadtraum revitalisiert. Im Geiste der Smart City folgen die ökologischen Viertel dabei einer Messbarkeit der Stadt. Überall werden zahlreiche Sensoren angebracht. Die urbane Umgebung soll dabei so gut wie möglich quantifiziert werden.

Doch auch der klassische Wohnungsbau, welcher Wohnen als Produkt versteht, steht am Scheideweg. Um Kreisläufe kurzzuhalten, bietet es sich an, alte Gebäude zu renovieren, statt abzureißen und neu zu bauen. Ein weiterer Ansatz ist die Konzipierung von Wohnraum in Harmonie mit anderen Lebenswelten wie Arbeit und Freizeit. Die Entwicklung fahrradfreundlicher Verkehrsinfrastruktur fördert dabei CO2-freie Mobilität. Mit dem Konzept der modularen Stadt soll die Flexibilität und Anpassungsfähigkeit des urbanen Raumes ausgeweitet werden.

In Sache der Mobilität geht dies in der westlichen Welt mit dem Ausbau der Verkehrsinfrastruktur und Normierungsprozessen einher. So wird zum Beispiel im Fall der Europäischen Union und einer länderübergreifenden Mobilität das Vorhaben vorangetrieben, die Höhe des Gleissteiges einheitlich durch alle Metropolen hinweg zu halten. Aber auch die anwendungsfreundliche Gestaltung des Raumes für körperlich-behinderte Personen gehört zur Tagesordnung. Ob Rampen und Aufzüge für Rollstuhlfahrer oder abgrenzende Bodenelemente für blinde Personen, Inklusion bleibt ein wichtiges Ziel in Europa.

Ein Urbanismus der inklusiven Stadt kann dabei genauso neue Wohnformen beinhalten. Dies ist zum Beispiel der Fall bei Mehrgenerationen-Häusern. Aber auch gemischte Unterkünfte von Studenten und geflüchteten Familien bieten inklusive Lösungsansätze zu gesellschaftlichen Problemstellungen. In einem größeren Rahmen betrifft dies dabei ebenso die Bedürfnisse von Kindern, Jugendlichen, Frauen, non-binären/queeren Menschen und (Sucht-)Kranken sowie anderen Randgruppen. Die Ansätze der inklusiven Stadt sind dabei eng mit der zeitgenössischen Auslegung des „Recht auf Stadt“ verknüpft.

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